Tabea Botthof
Tabea Botthof, ehemalige Schülerin des AFG, Mitglied der deutschen Frauen-Eishockeynationalmannschaft, an der Yale University studiert, für das P-Seminar Englisch des AFG
1. Wie sind Sie zu der Entscheidung gekommen in den USA zu studieren?
Für mich steht, seit ich etwa 13 Jahre alt bin und in diversen Auswahlmannschaften im Eishockey erfolgreich war, der Sport im Vordergrund. Natürlich muss ich mich aber auch um meine berufliche Zukunft nach der sportlichen Karriere kümmern und habe mich deswegen entschieden zu studieren. An den Colleges in Amerika kann man Sport und Studium wunderbar vereinbaren, weil der Sport dort einen großen Stellenwert hat und in den Unialltag eingegliedert ist.
2. Was sind bemerkenswerte Unterschiede zu Deutschland bezüglich der Kultur und Lebensverhältnisse?
Die USA ist, im Vergleich zu Deutschland, ein kapitalistisches Land und das spiegelt sich ein Stück weit auch in der Mentalität und Kultur wider. Ich habe schon gemerkt, dass die Kultur in Deutschland etwas mehr auf das Sozialwesen ausgerichtet war und man öfter mal die Gruppe in den Vordergrund gestellt hat, wobei ich in Amerika das Gefühl hatte, dass das Individuum mehr im Vordergrund steht. Dadurch waren die Menschen und vor allem die Sportler:innen, die ich in den USA kennengelernt habe, auch viel selbstbewusster als in Deutschland. Zusätzlich dazu ist es sehr auffällig, dass die Amerikaner in der Regel sehr offen und fröhlich zu ihren Mitmenschen sind. Das war schon ein großer Unterschied zu Deutschland, wo auf small talk oft weniger Wert gelegt wird.
Das Leben in den USA ist allgemein ein bisschen teurer als zuhause (teurere Mieten und Lebensmittel, manchmal kostete ein Espresso 5 Dollar!) und natürlich muss man auch erwähnen, dass die Universität nicht gratis ist, so wie in Deutschland. Manche Familien legen schon, wenn das Kind gerade geboren ist, ein Bankkonto an, von dessen Geld später seine Bildung an der Universität bezahlt werden soll.
3. Wie sah Ihr Alltag und Wochen- bzw. Tagesablauf aus?
Mit Sport und Studium war man unter der Eishockeysaison (September bis März/April) schon sehr eingebunden. Ein Eis- und ein Athletiktraining am Montag, zweimal Eis und einmal Athletik am Dienstag, Eistraining am Mittwoch, dann Donnerstag frühs um 6:30 kurz Athletik und um 7:00 aufs Eis, bevor wir Freitag und Samstag Eishockeyspiele hatten. Dazwischen war dann unter der Woche Uni und der einzig freie Tag war dadurch der Sonntag. Da war dann Zeit, für die Uni zu lernen…
Auch wenn das viel Programm war, hat es wirklich Spaß gemacht und viele andere „Student-Athletes“ (also die Sportler unter den Studenten) hatten einen ähnlich strammen Plan, sodass man sich gut untereinander verstehen und unterstützen konnte. Die Kurse von der Uni hat man übrigens so belegt, dass man kein Training verpasste, was ganz gut koordinierbar war, da unsere Trainingszeiten ja auch auf die Kurszeiten abgestimmt waren.
Zwischen den täglichen Programmpunkten von Training zu Vorlesung zu Vorlesung zu Training war natürlich Zeit, sich mit Kommiliton:innen zum Frühstück, Mittag- und Abendessen in der Mensa zu treffen beziehungsweise um Hausaufgaben für die Uni zu erledigen.
4. Wurden Ihnen Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt und wie war die allgemeine Unterkunftssituation an Ihrer Universität bzw. der Stadt, in der Sie studierten?
An der Yale University, so wie an fast allen anderen Unis in Amerika, gibt es sogenannte student dorms. Das kann man sich vorstellen wie ein Internat, in dem man während des Studiums wohnt. In Yale ist das Wohnen in den student dorms sehr besonders geregelt. Es gibt 14 verschiedene Häuser (sog. „Residential Colleges“), in die man zufällig für das erste Studienjahr eingeteilt wird (wie bei Harry Potter :D). Jedes Haus hat sein Maskottchen und einen Schlachtruf und bildet dadurch eine tolle Gemeinschaft, die sich zum Beispiel bei den „Residential College Olympics“, wo die Häuser in verschiedenen Sportarten gegeneinander antreten, oder bei verschiedenen internen Events, festigt. Das hat das Einleben sehr einfach gemacht.
Die Wohnungen, in die man auch zufällig eingeteilt wird, nennen sich in Yale „suites“, da man nicht wie in einem Hotel lauter Zweierzimmer entlang eines großen Flures hat, sondern die Zimmer wie in großen Apartments zusammen sind. So habe ich in meinem ersten Jahr zum Beispiel in einer 6er Suite gewohnt, wo wir uns ein großes Bad und Gemeinschaftszimmer geteilt haben.
Zusätzlich zu den suites gab es in jedem Haus für alle gemeinsam einen riesigen Waschraum im Keller, eine Mensa, Sporträume, Musikräume, Computerräume, größere Gemeinschaftsräume mit Billardtischen und einer kleinen Snack-Bar, sowie eine Bibliothek. Das war wirklich Luxus! Der hatte allerdings auch seinen Preis. „Room and board“ (also Zimmer und Verpflegung) kosteten in Yale um die 1000 Dollar pro Monat, wenn man kein Stipendium hatte.
In Yale ist es Pflicht, in den ersten beiden Jahren in den student dorms zu wohnen, da man so gut Anschluss findet und die Gemeinschaft wirklich eine große Rolle spielt. Ab dem dritten und vierten Studienjahr des Bachelors kann man dann wählen, ob man bleibt oder lieber in ein (eventuell günstigeres) privates Apartment zieht.
5. Hatten Sie Schwierigkeiten damit, bei Ihren Mitstudierenden und auch anderweitig Anschluss zu finden?
Nein, ich hatte überhaupt keine Schwierigkeiten, Anschluss zu finden! Zu Beginn des Studiums gibt es enorm viele Events, vor allem in der Einführungswoche, aber auch danach, wo man ganz viele tolle Mitstudierende kennenlernt und wodurch sich auch schon früh viele Kontakte und Freundschaften bilden. Außerdem hat man ja immer seine „suitemates,“ also seine Mitbewohner:innen, denen man zugeteilt wurde. Für mich als Sportlerin kam noch dazu, dass ich natürlich sofort Anschluss durch meine Eishockeymannschaft hatte. Das hat das Leben extrem erleichtert.
6. Welche allgemeinen Unterschiede haben Sie in den Menschen selbst und deren Einstellung verspürt?
Wie schon erwähnt, waren die Menschen in den USA teils sehr selbstbewusst. Vielleicht lag das auch daran, dass man in einem kapitalistischen Land eher auf sich selbst gestellt ist und nach Erfolg strebt, da das wiederum auch viel Geld und Sicherheit einbringt…
Die Menschen in Yale waren allgemein sehr verschieden. Das war wirklich bereichernd für die Gemeinschaft dort! Ca. 30% der Studierenden waren international und es haben sich natürlich auch von den amerikanischen Studierenden verschiedene Kulturen zusammengefunden. Man hat dadurch viel von seinen Mitmenschen gelernt.
7. Welche Ratschläge und Tipps können Sie für die Vorbereitung auf das Studium in den USA geben und was sind allgemeine Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung desselben?
Erstmal sollte man offen für viele neue Erfahrungen und Eindrücke sein. Man wird schnell merken, dass das Leben in Amerika einfach anders ist, als in Deutschland. Es gibt Dinge, die mir besser gefallen haben, zum Beispiel die Offenheit der Menschen dort, aber auch Einiges, was ich aus Deutschland vermisst hatte, zum Beispiel die Esskultur und gewisse deutsche Sitten. Wenn man sich auf das neue Leben einlässt, wird man bestimmt eine gute Zeit haben! Natürlich sollte man etwas Englisch sprechen, aber sich keine zu großen Sorgen machen: das Englisch wird von ganz allein innerhalb weniger Monate komplett flüssig und kein Problem mehr sein.
Da das Studium im Bachelor in den USA in der Regel vier Jahre, statt wie in Deutschland drei Jahre, dauert, hat man während des Studiums und vor allem im ersten Jahr genügend Zeit, um sich an alles Akademische zu gewöhnen und muss sich somit inhaltlich gar nicht wirklich vorbereiten. Jeder ist im ersten Jahr neu und unvorbereitet an der Uni und so gut wie jeder schafft es, erfolgreich seinen Abschluss zu machen! Daher würde ich sagen, die einzige Voraussetzung zur erfolgreichen Durchführung des Studiums in den USA ist es, offen für Neues zu sein, sich anfangs nicht unterkriegen zu lassen und einfach dranzubleiben.
8. Welche allgemeinen Kosten fallen an z.B. für die Unterkunft und den Lebensunterhalt vor allem bezüglich der unerwarteten und unterschätzten Kosten?
Die Kosten des Studiums in Amerika hängen ganz von der jeweiligen Universität ab. Eine teurere Stadt oder Uni geht natürlich mit höheren Miet- oder Studienkosten einher.
Auf deutsche Studenten in den USA kommen in etwa folgende kosten zu:
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Semestergebühren („Tuition and fees“, je nach Uni sehr unterschiedlich)
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Miete und Verpflegungskosten („Room and board“, auch sehr unterschiedlich)
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Bücher und persönliche Ausgaben
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Reisekosten für die Flüge aus Deutschland zur Uni und zurück (ca. 600-800€ pro round trip)
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Freizeitausgaben (Kino etc. sind in USA etwas teurer als in Deutschland!)
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Aufwendungen für das Visum (wird oft unterschätzt, ca. 400€)
In Yale gliedert sich die sogenannte Cost of Attendance (also die gesamten Ausgaben) beispielsweise wie folgt auf:
tuition and fees
$64,700
housing
$10,900
food plan
$8,280
estimated books and personal expenses
$3,700
student activities fee
$125
total
$87,705
Viele Universitäten bieten allerdings Stipendien beziehungsweise Financial Aid an, womit sie Studenten, die sich diese hohen Kosten weniger leisten können, helfen können. In Yale zum Beispiel gab es ein so hohes Budget, dass viele Studenten gratis an die Universität dort konnten, da sie zwar sehr begabt waren, ihre Familien sich die Gebühren allerdings nicht leisten konnten.
Die verschiedenen Kosten an den Universitäten lassen sich ganz einfach auf ihren Websites nachlesen, genauso wie die Financial Aid Angebote und Stipendien.
9. Was sind mögliche und realistische Finanzierungsmöglichkeiten, im Sinne von Arbeit, die sowohl zugänglich, als auch parallel zu dem anspruchsvollen Studentenalltag, berechenbar ist?
Wie angesprochen, gibt es natürlich zuerst einmal einige Finanzierungsmöglichkeiten über die Unterstützung der Universität oder externe Stipendien. Zusätzlich dazu kann man sich auch einen Nebenjob in einem Café o.ä. suchen. Da gilt es allerdings, darauf zu achten, dass man nicht zu viele Stunden arbeitet, da man mit dem Studentenvisum eigentlich nur zum Studieren in den USA leben darf. Die beste Option, auch mit dem Studentenvisum und während dem stressigen Unialltag, Geld zu verdienen, sind „student jobs“, also HiWi Jobs für die Uni. Da gibt es enorm viele an den jeweiligen Unis. In Yale gab es zum Beispiel Stellen zum Büchersortieren in der Bibliothek, beim Einlass am Fitnessstudio, als Kameramann/-frau bei Sportveranstaltungen, zum Vorbereiten von Events (Stühle stapeln etc.) und vor allem auch als Tutoren für Sprachen oder andere Fächer. Ich hatte zum Beispiel eine Stelle als Deutsch-Tutorin für Studenten, die Deutsch studierten oder es einfach nebenbei als Sprache belegten. Da konnte ich flexibel individuell die Zeiten mit den Studenten ausmachen und habe so ganz praktisch nebenbei mein Taschengeld verdient. Zusätzlich ist es in den USA üblich, in den großen Sommerferien einen Sommerjob anzunehmen, um über die etwa vier Monate vorlesungsfreie Zeit hinweg einiges an Geld zu verdienen, das man dann während der Unizeit verbraten kann ;)
10. Welche Art von Visum benötigt man, wie kommt man dazu und welche Voraussetzungen muss man dafür erfüllen?
Das Studentenvisum für die USA heißt F-1 Visum. Zuerst einmal muss man sich (Achtung, circa ein Jahr im Voraus!) bei der jeweiligen Universität in Amerika bewerben und eine Zulassung erhalten. Da man angibt, internationaler Student zu sein, bekommt man dann eigentlich alle nötigen Unterlagen, Informationen und Hilfestellungen von der Uni. Man füllt dann einige Formulare aus, lässt ein Passfoto für das Visum schießen und macht einen Termin bei der amerikanischen Botschaft, wo man mit allen Unterlagen hinkommt. Dort werden kurz zwei bis drei Fragen gestellt, bevor dann das Visum von dem Angestellten dort genehmigt wird. Etwa drei Wochen später hat man dann sein Visum im Reisepass und das war’s schon. Wie erwähnt kann das Visum etwa 400€ kosten, läuft aber in der Regel erst nach Abschluss des Studiums ab.
11. Mit welchen nicht vorhergesehenen Problemen werden Sie konfrontiert, wie könnte man diese vorbeugend beheben und worauf muss man genau achten?
Nicht vorhergesehene Probleme gibt es natürlich immer. Zum Beispiel: „Ach Mann, jetzt habe ich einen Kurs belegt, bei dem ich nur Bahnhof verstehe,“ oder „Wird mir der Abschluss, den ich jetzt gewählt habe, eigentlich in Deutschland anerkannt?,“ oder „Ich komme mit meinen Mitbewohnern nicht klar,“ oder „Irgendwie fühle ich mich einsam und weiß nicht, ob ich nicht doch wieder nach Hause will.“ Solche Gedanken und Situationen sind aber denke ich in der Studienzeit ganz normal und man sollte es nicht als Problem, sondern eher als Herausforderung sehen. Es wird nicht jeder Tag toll und ohne Sorgen oder Schwierigkeiten sein, aber dem kann man denke ich nicht wirklich vorbeugen, egal wieviel man sich vorher informiert hat. Insgesamt sollte man einfach darauf achten, dass man ein gutes Gefühl hat und allgemein glücklich ist 😊